Als Input zur eigenen literarischen Bearbeitung des Themas "Ich und die Gruppe... ...zwischen Meer und Land" wurden zunächst Auszüge aus Werken der schwedischen Literatur vorgestellt:
* Per Olov Enquist. Das andere Leben
* Stig Dagermann. Der Mann, der nicht weinen wollte
* Ingmar Bergman. Laterna Magica. Autobiographie
* Tomas Tranströmer. Sämtliche Gedichte
* Lars Gustafsson. Der Tod eines Bienzüchters
* Selma Lagerlöf. Gösta Berling
* Lars Gustafsson. Erzählungen von glücklichen Menschen
Milan Richter: Die samtenen Brüste der Schwedinnen
Das Land wird ärmer ... So schreibt die Zeitung
auf dem Pflaster von Drottninggatan, die fettige, mit Resten
türkischer Lammleckerbissen. Die Preise sind
von stolzer Höhe wie die achtzehnjährigen Blondschöpfe,
wenn sie am Strand ihre Bündel von den Fahrrädern laden
und ihre samtenen Brüste entblößen. Ich streichle
das raue Rohr vom Teleobjektiv und hol sie heran, diese
Armut, die langen Rehbeine, so hoch wie die Steuern,
von denen jeder was abkriegt.
Auf Schloss Gripsholm
beglückt Bellman, der Sänger, wohlhabende, gottes-
fürchtige Damen, deren weiße Hintern Abdrücke tragen
von den Messinggriffen der Truhen, in denen ihre Urgroßväter
Schätze aus Prag stahlen. Tschechische Granaten
für eine Epistel glänzender Reime?
Was soll ich dir geben,
rauchendes Mädchen dort an der Ecke des engen Gässchens
in Gamla Stan? Meine Verse sind matt
wie der Mittag in der Polarnacht, meine Sprache
arm, ohne Melodie, die Klang verliehe
selbst deinem Zischeln. Was gäbest du mir? Die Granate
schläfriger Leidenschaft, die nach Jahren explodierte
durch langsames Sterben?
Das Land wird ärmer... Die Schweden kaufen sich
immer teuere Autos, ziehen sich zurück aus den Zentren
in die Wälder der umliegenden Städtchen, das Pflaster der Königinstraße
Arabern überlassend, Esten, Vietnamesen,
Händlern mit billigem Fleisch und teueren Träumen,
und uns, die die samtenen Brüste der Blondschöpfe
nur herbeiträumen im lautlos dahinfliegenden Wagen
der Stockholmer U-Bahn.
Hötorget! Heumarkt!
Bauern, aussteigen! Die Türen schließen sich!
Aus dem Slowakischen von Magdalena Sadlon
Winfried Wittmann: Der Wal
In eine kleine Bucht auf Utö hat sich ein Wal gelegt;
Wohl schon vor vielen Jahren.
Er ruht da wie ein Stein, zur Hälfte noch im Nass.
Nichts regt sich. Stille.
Die Wellen schleichen sanft um seine Flanke,
er liegt in einem langen Schlaf,
erschöpft vom weiten wilden Meer,
von dem er immer träumt.
Auf seinem Rücken leben treue Freunde:
Flechten, Moose und Gebüsch.
Gemütlich ist’s in seinem Banne,
wie zauberhaft verwünscht.
Und wenn der Wal nun doch erwacht?
Wenn er hinausschwimmt aus der Bucht?
Hinaus ins wilde Meer?
Wenn er tief taucht und prustet, frisst?
Wenn er gar laute Lieder singt?
Willst DU ihn halten oder bitten, zum Schlaf zurückzukehr’n?
Winfried Wittmann: Das Becken
Das Becken scheint mir nicht perfekt,
nicht ebenmäßig oder tief.
Durch Wellen, Eis und Sturm
im Fels fest etabliert,
so liegt es hier am Meeresrand
und zeigt sich gut gefüllt.
Ein grau-braun-gelber Algenteppich;
drei Fische schwimmen rum.
Getier auch auf der Oberfläche
des fahlen salzgen Wassers
mag kaum den Spiegel irritieren.
Am Grund: der Schatten meines Kopfs.
Das Becken liegt am Rand des Meeres.
Unendlich. Sanft und zart
die Wellen auf die Felsen laufen,
nur wenig weit entfernt,
ein stetges Rauschen ist zu hören,
ein Gurgeln ohne End.
Gleich nebenan sind weit’re Becken
jedoch getrennt von meinem.
Sie scheinen grüner, größer, voller, kleiner
nur Ritzen gar im Fels.
Und alle werden dann und wann
vom Meer erneut gefüllt.
Mein Becken: Sprengte man den Rand zum Meer,
so lief es leer und wär kein Becken mehr.
Das Wasser würde eins mit Vielem,
Könnt gurgeln, rauschen, schwimmen
hinaus ins Infinite.
Da wär kein Becken mehr.