Gespräch mit Lydia Aisenberg (israelische Journalistin, arbeitet eng mit Givat Haviva zusammen)
Einige Notizen, die ich mir aus dem Gespräch mit Lydia Aisenberg mitgenommen habe:
"Ich bin in den 1960er Jahren aus Wales nach Israel ausgewandert, weil ich damals den dortigen Antisemitismus nicht mehr ausgehalten habe."
"Jeder Einzelne ist hier ein Geschichtsbuch."
"Das Akzeptieren von zwei Narrative geht nur, wenn es keine einzige Wahrheit für sich gibt."
"Es setzt eine tiefe Vertrauensbeziehung voraus, sich gegenseitig an die Wunden heranzuführen. Deshalb macht Givat Haviva und seine Arbeit für mich bis heute immer wieder von Neuem Sinn!"
"Den Diskurs über die Aussichtslosigkeit hier bei uns in Israel gibt es seit zwanzig Jahren. Givat Haviva ist eine NGO, eine grass-root-Bewegung, das Dickicht jedoch ist größer geworden."
"Leute, die Kontakt haben mit der anderen Seite, denken anders!"
"Der Sicherheitszaun lasst mich nachts gut schlafen, aber ich bin dagegen, und demonstriere mit meinen arabischen Freunden auch dagegen, dass er ins palästinensische Gebiet hineinverlegt worden
ist." Lydia fügte hinzu an der Stelle: Wenn bei diesen Demonstrationen in Israel palästinensische Flaggen gezeigt warden würden, könnte sie nicht dabei stehen.
In den Ausführungen von Lydia gibt es immer wieder Momente der Rührung, ihre Stimme bricht, insbesondere in den Passagen, in denen sich ihre persönliche (Familien-)Geschichte mit "großer"
Geschichte" verbindet. Über die gesamte Begegnung mit Lydia hinweg wurde ihr hohes Engagement deutlich. Während der Exkursion war für mich auffallend, dass sie sowohl in West-Barta'a als auch in Ost-Barta'a Freunde hat und von diesen sehr geschätzt wird.
Gespräch im jüdisch-arabischen "Beit Hagefen" (Haifa): mit Zahava Koronyo (Leiterin) und einer arabischen Projektleiterin
Bei unserem Besuch in "Beit Hagefen" wurde uns die Geschichte dieses jüdisch-arabischen Zentrums vorgestellt, ebenso erfuhren wir von gemeinsamen, aktuellen Kunst- und Kulturprojekten. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in Projekten, in denen z.B. Lehreren der Narrativ der jeweils anderen Seite näher gebracht und so ein Austausch dazu in Gang gebracht wird
Gespräch mit Samer Atamni (arabischer Co-Direktor in Givat Haviva)
Samer Atamni sprach zur Situation der arabischen Minderheit (heute rund 21 Prozent der Gesamtbevölkerung Israels). Dabei verband er auf sehr eindrückliche Weise persönliches Leben und politische Perspektive. Folgende Notizen habe ich mir mitgenommen:
"Wenn Sie arabisch sprechen, gelten Sie generell als verdächtig. Sie sind so ein Anderer, nicht Sie selbst."
"Für mich ist das eine schwer erträgliche Situation: Mein Volk schickt Raketen in mein Land. Mein Land bombardiert mein Volk."
"89 Prozent der jüdischen Israelis haben keinen Kontakt mit Arabern. Jedoch haben 95% der arabischen Israelis täglichen Kontakt mit Juden."
"Die arabischen Israelis sehen sich als Bürger zweiter Klasse. Dies beschädige ihre persönliche Würde und ihr Selbstbewusstsein als isrealische
Bürger."
Zugleich betonte Samer Atamni die gute Zusammenarbeit mit jüdischen Israelis, insbesondere hier in Givat Haviva, und die Unverzichtbarkeit eines Dialogs.
Schon während seines Studiums an der Jüdischen Universität in Jerusalem ist er seinem inneren Impuls nachgegangen, etwas zu tun, um die Situation zum Besseren zu wenden, trotz aller Schikanen
(z.B. am Arbeitsmarkt) und institutionellen Diskriminierungen, denen die arabischen Israelis im alltäglichen Leben ausgesetzt sind.
Gespräch mit Micky Drill (Friedrich-Ebert-Stiftung, Tel Aviv)
Micky Drill, in Wien aufgewachsen, ist seit vielen Jahren als Projektmanager und Gewerkschaftsreferent im Büro der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung in Tel Aviv tätig. Zugleich ist er im auswärtigen Ausschuß der israelischen Arbeitspartei engagiert. Seine Ausführungen haben uns den zionistischen Narrativ in seiner traditionellen Ausformung wahrnehmen lassen. Hineingeboren in eine Familie von Überlebenden der Shoah seien er und seine Geschwister in dem klaren Bewusstsein aufgewachsen, dass sie als Juden nirgend anders hingehören als nach Israel. "Das ist unser histroisches Recht, das ist unser Land." Mit den Palästinensern müsse ein ein Kompromiss gefunden warden, bei dem beide Seiten auf einen Teil ihres Anspruchs verzichten müssten. Deshalb setze er sich auch konsequent für eine Zwei-Staaten-Lösung ein, die er nach wie vor für realisierbar halt.
Die Reaktionen auf dieses Gespräch waren unter den TeilnehmerInnen unterschiedlich: "Wenn dies ein linksorientierter Gewerkschafter ist, wie erst sollen wir uns den Narrativ eines rechten jüdischen Israeli vorstellen?", so eine Stimme, eine andere: "Wenn Micky nicht gewesen ware, dann hätte uns etwas gefehlt zum Verständnis Israels."