Erster Akademie-Tag
Vormittag: Ortsbestimmung und Einführung in das Sharehouse
Am Vormittag starteten wir mit einer Ortsbestimmung: Worüber reden wir? Bevölkerungsstatistik und Rechtslage: Wer hat mit welchem Status welche Rechte? Elisabeth Freithofer gab eine Einführung dazu in Bezug auf Deutschland und Berlin, Klaus Pumberger zum Stadtbezirk Neukölln. Vgl. dazu nachfolgend einen Artikel von Elisabeth Freithofer zur Situation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund (allerdings in Österreich, dennoch gibt es dabei viele Parallelen zu Deustchland) sowie einen Auszug aus dem dem Buch des Journalisten Thoams Lindemann zu Berlin-Neukölln, S. 34-35 (siehe auch die Menüleiste "Literatur").
Im zweiten Teil des Vormittags gab uns Julia von Schick (sie ist im Sharehouse für das Eventmanagement verantwortlich) eine kurze Einführung in Geschichte und Leben des Projektes "Sharehouse Refugio" (siehe auch die Menüleiste "Tagungsort"). Eine Teilnehmerin fasste das Gespräch wie folgt zusammen: "Mir kommt das Sharehouse vor wie ein "Kleines Kanada" vor: klar definierte Regeln (auch in bezug auf die Aufnahme) und Werte, die in einem klar abgesteckten Rahmen eine eigene Kultur ("Dritter Raum") der Offenheit und des gegenseitigen Respekts entwickelt haben, die das Projekt nun schon mehrere Jahre durchhält, getragen von Menschen, die Ressourcen einbringen."
Nachmittag: Stadtführung, Erkundungen und Austausch
Nach dem Mittagessen folgte eine Stadtführung mit Firas Zakri, Lehrer aus Aleppo (Syrien), organisiert vom Verein "querstadtein - Berlin anders sehen: "Geflüchtete zeigen ihr Berlin-Neukölln". Firas Zakri erzählte von seiner Flucht und über sein Ankommen in Berlin. Welche Orte in Berlin sind wichtig für geflüchtete Menschen? Warum ist die Sonnenallee eine der wichtigsten Straßen für Syrer? Und was braucht man, um sich wieder zuhause zu fühlen?
Zu den Stadtführungen mit Firas Zakri gibt es auch einen interessanten Artikel auf "SPIEGEL Online" vom Juli 2016, hier der link:
www.spiegel.de/karriere/berlin-neukoelln-fluechtling-bietet-aussergewoehnliche-stadtfuehrungen-an-a-1101614.html#ref=rss
Abschließend eine gute Nachricht: im April 2017 hat Firas Zakri endlich den psoitiven Bescheid seines Asylverfahrens bekommen.
Im zweiten Teil des Nachmittags hatten wir die Gelegenheit, selber Erkundungen vorzunehmen, in Bezug auf die Frage: Was ist denn hier befremdlich? Die einen waren in Kleingruppen unterwegs, machten Fotos oder Straßeninterviews, andere alleine, und dritte führten Gespräche mit Bewohnerinnen des Sharehouse Refugio. Nach dem Abendessen folgte dazu ein Austausch an Erfahrungen und Erlebtem in der Gruppe (siehe Menüleiste "Erkundungen").
Zweiter Akademie-Tag
Vormittag: Integration durch Schule?
Am Vormittag waren wir zu Besuch in der Richard-Grundschule am Richardplatz 14 in Berlin-Neukölln. Anna Schirin Vatankhah präsentierte das Projekt "Bildog", das seit mehreren Jahren an der Schule (rund 90 Prozent der Kinder haben Migrationshintergrund) läuft, das durch spezielle Projekte am Nachmittag auf die Aktivierung der Schuler und Schülerinnen als auch auf die Integration der Eltern abzielt. Seit einem Jahr ist Anna auch als "reguläre" Lehrerin an der Richard-Grundschule tätig. An der Präsentation und an den anschließenden Gesprächen beteiligten sich auch eine Schülerin aus der Richard-Schule, die aktiv an dem Projekt mitarbeitet, sowie Aya El-Khodary, als Grundschülerin hier ebenfalls aktiv, heute Schulsprecherin in der Rüttli-Schule. Von Anfang an waren wir beeindruckt von der herzlichen Aufnahme. In Ruhe und ohne Zeitdruck konnten wir die verschiedenen Teilaspekte unseres Themas - Integration durch Schule? - vertiefen (vgl. dazu auch die Menüleiste "Schule").
Zwei Aspekte sind mir aus den Gesprächen besonders hängengeblieben:
1. Integration ist ohne weiteres möglich, realisierbar und lebbar, wenn alle Beteiligten sie denn tatsächlich wollen, auch über alle Auf und Abs hinweg, die damit verbunden sind.
2. Der praktische Zugang von Anna und ihrem Team machte auf mich (und weitere) einen starken Eindruck: Ja, wenn es Probleme und Konflikte gibt, dann tun wir etwas damit, packen wir es an, ohne daraus gleich ideologisch gefärbte Auseinandersetzungen hochzuziehen oder sich in stereotyp, vorgefassten Meinungen und Urteilen zu ergehen.
3. Die Situation an der Richard-Grundschule ist eine besondere: "Wir sind hier alle Minderheiten, es gibt keine dominante Mehrheit!"
Nachmittag: Film "Kommissar Pascha" (vgl. Menüleiste "Film")
Abend: gemeinsames Abendessen (syrische Küche)
Die Gespräche und Diskussionen führten wir bei einem gemeinsamen Abendessen auf der Dachterasse des Sharehourse Refugio fort. Wir liessen von der wunderbaren Abendsonne, vor allem von den genüssen der syrische Küche, zubereitet von einer Bewohnerin des Sharehouses (sie kommt aus Syrien, ist eine professionelle Köchin, so hatte sie vor ihrer Flucht Koch-Shows im jordanischen Fernsehen), verwöhnen.
Dritter Akademie-Tag
Am letzten Akademie-Tag konnten wir am Vormittag gemeinsam mit zwei Künstlerinnen folgende Frage im Gespräch vertiefen: Wer ist mir wann fremd und wie gehe ich damit um? Ela Cosen (siehe nachfolgendes CV) ist in Berlin-Kreuzberg in einer (bürgerlichen) türkischen Familie aufgewachsen, Silvana Toponova in Bulgarien und kam Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland. Neben ihrem künstlerischem Schaffen - sie unterhält auch im Sharehouse ein eigenes Atelier, durch das sie uns im Anschluß an das Gespräch führte (siehe auch nachfolgende Fotogalerie) führte - ist sie als Lehrerin an einer Grundschule in Berlin mit einem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund tätig. Eine Bemerkung von Silvana Toponova ist mir besonders hängengeblieben. In dieser Tätigkeit als Lehrerin kann sie sich immer auf zwei Augen stützen, auf ihr "Balkan-Auge" (etwa basierend auf ihre Erfahrungen in Bulgarien im Umgang mit Roma-Familien), mit dem sie deutschen Eltern andere Kulturen vermitteln kann, und umgekehrt hilft ihr das "deutsche Auge", das sie sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschalnd angeeignet hat, den Eltern nicht-deutscher Herkunft bestimmte Dinge zu vermitteln.
Bei Ela Cosen imponierten mir zwei Dinge: Zum einen ihr Selbstvertrauen und ihr optimistischer Zugang zum Leben: Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann hat sie das dann auch gemacht und durchgezogen. Zum anderen wie sie im Laufe ihres Lebens gelernt hat, wie leicht sie sich in verschiedenen Kulturen bewegen kann und wie reizvoll sie das findet bzw. welche Energie sie daraus zieht.